Wetzlar – Sie sprechen mit der Landesregierung wie auch der Opposition im Landtag. Ihre Zahl ist mittlerweile auf über 150 gestiegen. Die Tendenz hält an. Eines bleibt: „Wir werden uns weiter an der Sache und an Sachthemen orientieren“, sagt Harald Semler Vorsitzender der „Parteiunabhängigen Bürgermeister“ (PuB). Die PuB ist eine Gruppe von Bürgermeistern, deren Kommunen dem Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) angehören – und das sind fast alle im Bundesland. Im Neuen Rathaus in Wetzlar, in der Semler als Stadtrat Bau- und Wirtschaftsdezernent ist, kamen 63 Rathaus-Chefs zusammen zu ihrer Frühjahrs-Klausur. In dem früheren Leitz-Gebäude haben die „Freien“ vor allem die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs ab 2016 im Focus. Bevor der KFA in Wiesbaden in die Beratung gehe, gelte erhöhte Wachsamkeit, war ein Tenor der vielen Wortbeiträge im Sitzungssaal. Mehr „Mut und Wut“ wünschte sich Jochen Kirchner (Kirchhain), der für die Gruppe der PuB Neuzugang im Hauptausschuss des HSGB ist. „Schreien kann jeder“, hielt Vorsitzender Semler entgegen und gab zu bedenken, dass ein Streit zwischen den Ebenen nichts bringe.
Dass man mit seiner Gemeinde auch durch eine Resolution die Landesregierung beeindrucken könne, berichtete Kurt Hillgärtner (Rabenau). Wichtig sei dabei, dass dann auch die komplette Gemeindevertretung mit zum Gespräch zur Landesspitze fahre.
Bei der KFA-Reform werde vieles ähnlich missverstanden wie beim Kita-Streik: „Die Forderung nach mehr Geld kann jeder verstehen, aber niemand will dafür mehr Gebühr bezahlen“, warf Bernhard Ziegler (Herbstein) ein. „Und trotzdem heben einige Bürgermeister im Kreistag die Hand, um Solidarität für diesen Arbeitskampf zu zeigen“, bemängelte Fred Dettmar (Reinhardshagen).
Burkhard Scheld, seit November 2012 Bürgermeister in Herleshausen, brachte den Vergleich Kinderbetreuung und Finanzen auf den Punkt: „Die Kombination der Probleme ist das Problem. Das KiFöG (Kinderförderungsgesetz) knallt durch die Decke. Gleiche Kinderzahl, aber mehr Personal. Das kann keine Kommune bezahlen, sondern müsste vom Land übernommen werden.“ Damit waren die Parteiunabhängigen wieder bei der Forderung aus dem Frühjahr 2014, das Land solle die Kinderbetreuung als staatliche Aufgabe anerkennen und die Kosten übernehmen.
Wie die Kosten für Kinderbetreuung beim neuen KFA zwar in den Bedarf eingerechnet werden, aber beim Ausgleich dann doch nicht die erhoffte Hilfe für jede Kommune „rauskommt“, erläuterte Martin Jung, Referent beim Hessischen Städte- und Gemeindebund. Schuld daran sei unter anderem das so genannte Korridormodell, in dem Ausreißer nach oben und unten rechnerisch bereinigt werden. Dieses Rechenmodell, das nach dem Vorbild von Thüringen in Hessen herangezogen worden sei, im Nachbarbundesland aber schon gar nicht mehr verwendet werde, habe vor allem eine Folge: „Ihnen wird immer etwas abgezogen werden, sie können noch so wirtschaftlich sein“, verdeutlichte Jung.
Auch das Schröpfen der 33 steuerstarken Kommunen müsse nicht sein, wenn genug in den „Topf“ hineinkomme. Genaueres könne man erst im Herbst sagen mit belastbaren Zahlen für 2016, aber schon jetzt gebe es von den Mitglieds-Gemeinden „die ersten Angebote für Klagen“ auch gegen den neuen Finanzausgleich.
Die besseren Argumente lägen auf der Seite der Kommunen, unterstrich Wolfgang Gottlieb (Birstein) und empfahl dem Hessischen Städte- und Gemeindebund, weiter über seine 21 Kreisversammlungen der Bürgermeister jetzt vor den weiteren Beratungen zu informieren und mobilisieren. „Viele halten jetzt noch still, weil sie vielleicht nach den ersten Modellrechnungen sich leicht zu verbessern hoffen. Aber nach 5 Jahren wird durch den neuen KFA sich keiner mehr besser stehen“, befürchtete Klaus Temmen (Kronberg).
Wahlen
Bei Ergänzungswahlen wurde Klaus Temmen (Kronberg) als neuer stellvertretender Vorsitzender der Parteiunabhängigen Bürgermeister für den Rest der Wahlzeit gewählt. Er tritt damit die Nachfolge von Peter Lange (Liebenau) an. Als Schriftführer beerbt Danny Sutor (Grebenstein) den in Ruhestand gegangenen Kollegen Manfred Dickert (Grebenhain).