Vom „Ende der Party“ zum „Anfang der Diskussion“

Vom „Ende der Party“ zum „Anfang der Diskussion“
Parteiunabhängige Bürgermeister sprechen mit Landesspitze über Kommunalfinanzen und Kinderbetreuung

Wiesbaden – „Wir haben die letzten 50 Jahre vieles bezahlt mit Schulden und wir müssen nun endlich kapieren: Die Party ist zu Ende“, unterstrich Volker Bouffier. Bei einer gemeinsamen Mittagspause in der Staatskanzlei hat der Ministerpräsident mit 42 Rathaus-Chefs frei von der Leber weg die Lage erörtert. Im Gespräch mit der Gruppe der Parteiunabhängigen Bürgermeister (PuB) ging es um die Themen Kommunalfinanzen und Kinderbetreuung. „Das ist erst der Anfang der Diskussion“, versprach Finanzminister Thomas Schäfer.

Gespräch auf Augenhöhe (von links): Innenminister Peter Beuth, Wetzlars Wirtschaftsdezernent Harald Semler als Sprecher der Parteiunabhängigen Bürgermeister (PuB), Ministerpräsident Volker Bouffier und Finanzminister Thomas Schäfer sprachen über Kommunalfinanzen und Kinderbetreuungs-Kosten.

Gespräch auf Augenhöhe (von links): Innenminister Peter Beuth, Wetzlars Wirtschaftsdezernent Harald Semler als Sprecher der Parteiunabhängigen Bürgermeister (PuB), Ministerpräsident Volker Bouffier und Finanzminister Thomas Schäfer sprachen über Kommunalfinanzen und Kinderbetreuungs-Kosten.

Die erste Modellrechnung ist zwischenzeitlich vorgestellt worden. Die Reform rollt an: Für eine faire Finanzausstattung der Kommunen, zu dem der Staatsgerichtshof die Landesregierung bis 2016 aufgefordert hat, wird in Wiesbaden eifrig an zehn Millionen Datensätzen gerechnet, erläuterte Minister Schäfer.
Wie die Zahlen selbst im „Speckgürtel“ Frankfurts Städte deprimieren, rechnete Bürgermeister Klaus Temmen (Kronberg) vor. Wie auch einer kleineren Gemeinde die Kinderbetreuung jeglichen Spielraum raubt, wenn die nahe Stadt billigste Betreuungsgebühren anbietet und sich über den so genannten Kostenausgleich das Geld aus dem Umland holt, erzählte Volker Carle. Der Bürgermeister aus Cölbe sah die Kommunen als „verlässliche Partner des Landes“, wie er eingangs unterstrich: „Wir sind vor Ort und nicht nur zum Grußwort.“ Carle wünschte sich mehr Unterstützung und klare Vorgaben vom Land bei der derzeitigen Defizit-Betrachtung.
Die Kreise hingegen würden nach den bislang bekannten Änderungen am Kommunalen Finanzausgleich (KFA) bevorteilt, rechnete Bürgermeister Temmen vor. Die Anhebungen der landesweiten Nivellierungssätze spülten den Kreisen mehr als 260 Millionen in die Kassen, ohne dass sie dafür etwas tun müssten. Und vor allem würde diese Anhebung der Nivellierungssätze den Städten und Gemeinden Einnahmen unterstellen, die sie gar nicht hätten, so Temmen. Die Steuerkraftabschöpfung, so sein Verdacht, werde dazu genutzt, dass das Land weniger an die Kommunen zahlt, befürchtete der Kronberger Rathaus-Chef und forderte nicht nur das Ende der seit 2009 erhobenen Kompensationsumlage, sondern die Rücküberweisung des Geldes an die Kommunen.
Die Reform des KFA stehe erst am Anfang, beruhigte Thomas Schäfer. „Es muss immer so sein, dass von Mehreinnahmen etwas bleibt“, betonte der Finanzminister. Es brauche ein „Anreizsystem zwischen Zuckerbrot und Peitsche“.
Wie schwer es sei, zwischen den verschiedenen Interessen auszugleichen, warf der Ministerpräsident ein. „Ich kenne keine Gruppe, die sich einig wäre – außer den Parteiunabhängigen“, scherzte Volker Bouffier.
Der Ministerpräsident unterstrich die wichtige Rolle der Kommunen: „Sie sind am dichtesten dran. Wir glauben, dass sich viele Dinge vor Ort am besten regeln lassen. Und zur Gestaltungsfreiheit gehört auch das Geld“, fasste der Landesvater zusammen.
Wenn jetzt das Land für die Finanzausstattung der 426 Städte und Gemeinden den Bedarf ermittele, müsse dies in einem nachvollziehbaren System geschehen. „Mit gläsernen Taschen, nicht mit offenen“, so Bouffier.
42 Rathaus-Chefs aus Hessen waren nach Wiesbaden in die Staatskanzlei gekommen, um mit der Landesspitze die Lage im Land zu erörtern.

42 Rathaus-Chefs aus Hessen waren nach Wiesbaden in die Staatskanzlei gekommen, um mit der Landesspitze die Lage im Land zu erörtern.


Das landauf-landab finanziell größte Problem sei die Kinderbetreuung, wusste auch der Ministerpräsident. Das Land habe in den letzten zehn Jahren seinen Anteil an der Finanzierung von 60 Millionen Euro auf 450 Millionen hochgefahren. „Wir sind stolz darauf, aber es reicht hinten und vorne nicht“, sagte Bouffier. Die von den Parteiunabhängigen geforderte Übernahme der Kinderbetreuungskosten durch das Land konnte Bouffier ebenso wenig zusagen wie der Wunsch, dass das Land auch in Hessen zunächst Ausgaben für Kindergärten & Co. leistet und dadurch seinen Anteil am Länderfinanzausgleich reduziert. „Wir setzen uns dafür ein, dass es beim Länderfinanzausgleich für Hessen gerechter wird“, sagte Bouffier.
„Es ist schön, dass Sie Hessen nicht nur aus dem Blickwinkel von Wiesbaden erklären können“, dankte Harald Semler zum Abschluss der Gesprächsrunde. Der Wetzlarer Wirtschaftsdezernent als Sprecher der PuB erinnerte daran, dass in Hessen 70 Prozent der Menschen im ländlichen Raum leben.

Info: Aus den 426 Städten und Gemeinden in Hessen haben sich rund 150 Bürgermeister, Beigeordnete und Dezernenten zusammengeschlossen in der Arbeitsgruppe der „Parteiunabhängigen Bürgermeister des Landes Hessen“ (PuB). Gewählter Sprecher ist Harald Semler, Wirtschaftsdezernent in Wetzlar. Mehr Informationen unter www.parteilose-buergermeister.de im Internet.